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1.3. Das Innenleben des Debian-Projekts

Die reichlichen vom Debian-Projekt erzielten Endergebnisse entstehen zu gleichen Teilen aus der von erfahrenen Debian-Entwicklern geleisteten Arbeit an der Infrastruktur, aus individueller und gemeinsamer Entwicklungsarbeit an Debian-Paketen wie auch aus Rückmeldungen der Anwender.

1.3.1. Die Debian-Entwickler

Debian-Entwickler haben verschiedene Aufgaben, und als offizielle Projektmitglieder haben sie großen Einfluss auf die Richtung, die das Projekt einschlägt. Ein Debian-Entwickler ist üblicherweise für mindestens ein Paket zuständig, kann sich aber je nach Wunsch und verfügbarer Zeit an mehreren Teams beteiligen und so größere Verantwortung innerhalb des Projekts übernehmen.
Paketbetreuung ist eine recht straff organisierte Arbeit, sehr stark dokumentiert und sogar reglementiert. Sie muss wirklich mit alle in den Debian-Richtlinien festgelegten Standards übereinstimmen. Zum Glück gibt es zahlreiche Hilfsprogramme, die die Arbeit eines Betreuers erleichtern. So kann sich der Entwickler auf die Besonderheiten seines Pakets und auf komplexere Aufgaben wie die Fehlerbeseitigung konzentrieren.
Die Richtlinien, ein wesentliches Element des Debian-Projekts, legen die Normen fest, die sowohl die Qualität der Pakete sicherstellen als auch die Interoperabilität der Distribution vervollkommnen. Dank dieser Richtlinien bleibt Debian trotz seiner gewaltigen Größe konsistent. Sie sind nicht in Stein gehauen, sondern entwickeln sich aufgrund von Vorschlägen, die in der Mailingliste gemacht werden, ständig weiter. Änderungen, denen alle Betroffenen zustimmen, werden von einer kleinen Gruppe von Betreuern, die keine redaktionelle Zuständigkeit haben, entgegengenommen und in den Text eingearbeitet. (Sie nehmen nur die Veränderungen auf, auf die sich die Debian-Entwickler, die Mitglied der oben genannten Liste sind, geeinigt haben.) Sie können die aktuellen Veränderungsvorschläge im Fehlerverfolgungssystem nachlesen:
Die Richtlinien decken die technischen Aspekte des Paketierens sehr gut ab. Aus der Größe des Projekts ergeben sich jedoch auch organisatorische Probleme; mit diesen beschäftigt sich die Debian-Verfassung, die eine Struktur und ein Verfahren für die Entscheidungsfindung festlegt. Mit anderen Worten, ein formales System für das Projektmanagement.
Diese Verfassung definiert eine bestimmte Anzahl von Rollen und Positionen sowie für jede die Verantwortlichkeiten und Befugnisse. Es ist insbesondere beachtenswert, dass Debian-Entwickler stets eine abschließende Entscheidungsbefugnis durch einen allgemeinen Beschluss haben, bei dem eine qualifizierte Mehrheit von drei Vierteln (75%) der Stimmen erforderlich ist, um wesentliche Änderungen vorzunehmen (wie zum Beispiel solche mit Auswirkung auf die Grundlagendokumente). Indes wählen die Entwickler jedes Jahr einen „Leiter“, der sie in Sitzungen repräsentiert und der die interne Koordination zwischen den verschiedenen Teams sicherstellt. Diese Wahl ist immer eine Zeit erbitterter Diskussionen. Die Rolle dieses Leiters ist in keinem Dokument ausdrücklich definiert: Kandidaten für diese Stelle schlagen gewöhnlich ihre eigene Definition dieser Position vor. In der Praxis bestehen die Rollen des Leiters unter anderem darin, gegenüber den Medien als Repräsentant aufzutreten, „interne“ Teams zu koordinieren und dem Projekt allgemeine Orientierungshilfen anzubieten, auf die sich die Entwickler beziehen können: Die Ansichten des DPL werden stillschweigend von der Mehrheit der Projektmitglieder anerkannt.
Im Besonderen hat der Leiter wirkliche Autorität; seine Stimme entscheidet bei Stimmengleichheit; er kann jede Entscheidung treffen, die nicht bereits unter die Zuständigkeit eines anderen fällt, und er kann seine Verpflichtungen teilweise delegieren.
Seit seiner Gründung wurde das Projekt der Reihe nach von Ian Murdock, Bruce Perens, Ian Jackson, Wichert Akkerman, Ben Collins, Bdale Garbee, Martin Michlmayr, Branden Robinson, Anthony Towns, Sam Hocevar, Steve McIntyre, Stefano Zacchiroli und Lucas Nussbaum geleitet.
Die Verfassung sieht auch ein „technisches Komitee“ vor. Die wesentliche Rolle dieses Komitees besteht darin, in technischen Fragen zu entscheiden, wenn die beteiligten Entwickler untereinander kein Einvernehmen erzielt haben. Daneben spielt dieser Ausschuss eine beratende Rolle für jeden Entwickler, der eine Entscheidung, für die er verantwortlich ist, nicht trifft. Man sollte beachten, dass das Komitee sich erst dann einmischt, wenn es hierzu von einer der beteiligten Parteien aufgefordert wird.
Schließlich bestimmt die Verfassung die Position eines „Projekt-Schriftführers“, dessen Aufgabe darin besteht, die Abstimmungen im Zusammenhang mit den verschiedenen Wahlen und allgemeinen Beschlüssen zu organisieren.
Das Verfahren des „allgemeinen Beschlusses“ ist in der Verfassung von der anfänglichen Diskussionsphase bis zur abschließenden Stimmenauszählung detailliert beschrieben. Für weitere Einzelheiten siehe:
Auch wenn diese Verfassung einen demokratischen Anschein erweckt, sieht die tägliche Wirklichkeit ziemlich anders aus: Natürlich folgt Debian den Regeln der Freien Software, der „Tu-okratie“: Wer etwas tut, entscheidet auch. Viel Zeit kann darauf verschwendet werden, die jeweiligen Vorteile verschiedener Lösungswege für ein Problem zu diskutieren; am Ende wird die Lösung gewählt, die als erste funktioniert und zufriedenstellend ist ... das ergibt sich aus der Zeit, die eine sachkundige Person darin investiert hat.
Dies ist der einzige Weg, sich Sporen zu verdienen: Etwas Nützliches zu tun und zu zeigen, dass man gut gearbeitet hat. Bei Debian agieren viele „Verwaltungsteams“ aufgrund einer Ernennung unter Bevorzugung von Freiwilligen, die bereits erfolgreich mitgewirkt und ihre Sachkenntnis bewiesen haben. Diese Methode ist zweckmäßig, da der Großteil der Arbeit, die diese Teams leisten, öffentlich ist und damit für jeden interessierten Entwickler zugänglich. Deshalb wird Debian häufig als „Meritokratie“ bezeichnet.
Diese effektive Arbeitsweise gewährleistet die Qualität der Mitwirkenden in den zentralen Debian-Teams. Diese Methode ist keineswegs perfekt und gelegentlich finden sich auch Leute, die diese Arbeitsweise nicht akzeptieren. Die Auswahl von Entwicklern für die Teams mag ein wenig willkürlich oder sogar unfair erscheinen. Außerdem hat nicht jeder dieselbe Auffassung von der Leistung, die von diesen Teams erwartet wird. Für einige ist es nicht akzeptabel, acht Tage auf das Einfügen eines neuen Debian-Pakets warten zu müssen, während andere problemlos drei Wochen lang geduldig warten. Daher gibt es regelmäßig Beschwerden der Unzufriedenen über die „Arbeitsqualität“ mancher Teams.

1.3.2. Die aktive Rolle der Anwender

Man mag sich fragen, ob es wichtig ist, unter denen, die innerhalb des Debian-Projekts arbeiten, auch die Anwender zu erwähnen, doch die Antwort ist definitiv "Ja": sie spielen im Projekt eine lebenswichtige Rolle. Sie sind keineswegs „passiv“, sondern einige Anwender verwenden Entwicklungsversionen von Debian und schicken regelmäßig Fehlerberichte ein, in denen sie auf Probleme hinweisen. Andere gehen noch weiter und reichen Verbesserungsvorschläge ein, indem sie einen Fehlerbericht mit der Einstufung „wishlist“ einschicken oder sogar Korrekturen des Quellcodes, „Patches“ genannt, einreichen (siehe Seitenleiste ZURÜCK ZU DEN GRUNDLAGEN Patch, so schickt man eine Fehlerkorrektur ein).
Des Weiteren möchten viele zufriedene Anwender der von Debian angebotenen Leistungen selbst einen Beitrag zum Projekt leisten. Da nicht jeder ausreichend große Sachkenntnisse in der Programmierung hat, kann er auch bei der Übersetzung und Überprüfung der Dokumentation helfen. Es gibt sprachspezifische Mailinglisten zur Koordination dieser Arbeit, für Deutsch zum Beispiel: .
Diese Infrastruktur zur Benutzerbeteiligung wurden durch das Verhalten der Anwender optimiert. Sie sind keineswegs eine Gruppe isolierter Personen, sondern Teil einer wahren Gemeinschaft, in der zahlreiche Austauschprozesse stattfinden. Wir möchten vor allem auf die beeindruckende Aktivität in der Mailingliste für Anwenderdiskussionen hinweisen: (Kapitel 7, Probleme lösen und relevante Informationen finden beschreibt dies ausführlicher).
Die Anwender helfen sich (und anderen) nicht nur technischen Problemen, die sie selbst betreffen, sondern diskutieren auch darüber, wie sie am besten zum Debian-Projekt beitragen und es dadurch voranbringen können - Diskussionen, die häufig zu Verbesserungsvorschlägen führen.
Da Debian keine Gelder für Eigenwerbungskampagnen ausgibt, spielen seine Benutzer bei seiner Verbreitung eine wichtige Rolle, indem sie es durch Mundpropaganda bekannt machen.
Diese Methode funktioniert recht gut, da Debian-Anhänger auf allen Ebenen der Gemeinschaft der freien Software zu finden sind: von Installationspartys (Treffen, bei denen erfahrene Anwender Neulingen helfen, das System zu installieren), die von örtlichen LUG (Linux User Groups) organisiert werden, bis zu Vereinsständen auf großen Technikkongressen zum Thema Linux usw.
Freiwillige erstellen Plakate, Broschüren, Sticker und andere nützliche Werbematerialien für das Projekt, die sie jedem zur Verfügung stellen und die Debian auf seiner Website frei anbietet:

1.3.3. Teams und Unterprojekte

Debian war von Beginn an um das Konzept der Quellpakete herum organisiert, jedes mit seinem Betreuer oder seiner Gruppe von Betreuern. Zahlreiche Arbeitsteams haben sich im Laufe der Zeit gebildet, die die Verwaltung der Infrastruktur und das Management von Aufgaben, die keinem bestimmten Paket zugeordnet werden können (Qualitätssicherung, Debian-Richtlinien, Installationsprogramm usw.) sicherstellen, wobei die jüngsten Teams rings um Unterprojekte heranwachsen.

1.3.3.1. Bestehende Debian-Unterprojekte

Jedem sein eigenes Debian! Ein Unterprojekt ist eine Gruppe von Freiwilligen, die daran interessiert ist, Debian an spezielle Anforderungen anzupassen. Außer der Auswahl einer Untergruppe von Programmen, die für einen bestimmten Bereich (Bildung, Medizin, Multimediaerstellung usw.) gedacht sind, dienen Unterprojekte auch der Verbesserung vorhandener Pakete, dem Paketieren fehlender Software, der Anpassung des Installationsprogramms, dem Erstellen bestimmter Dokumentation und Weiterem.
Hier ist eine kleine Auswahl aktueller Unterprojekte:
  • Debian-Junior, von Ben Armstrong, bietet ein ansprechendes und leicht zu bedienendes Debian-System für Kinder;
  • Debian-Edu, von Petter Reinholdtsen, auf die Erstellung einer speziellen Distribution für den akademischen Bereich ausgerichtet;
  • Debian Med, von Andreas Tille, dem medizinischen Bereich gewidmet;
  • Debian-Multimedia, von den Schöpfern der Agnula-Distribution, befasst sich mit der Erstellung von Multimedia-Inhalten;
  • Debian Desktop, von Colin Walters, auf die Arbeitsfläche ausgerichtet;
  • Debian-Ham, erstellt von Bruce Perens, hat Amateurfunk-Interessierte als Zielgruppe;
  • Debian-NP (Non-Profit) ist für gemeinnützige Organisationen;
  • Debian-Lex, ist schließlich für die Arbeit im juristischen Umfeld gedacht.
Diese Liste wird mit der Zeit und einer besseren Wahrnehmung der Vorteile von Debian-Unterprojekten wahrscheinlich wachsen. Sie können sich mit voller Unterstützung durch die vorhandene Debian-Infrastruktur tatsächlich auf Aktivitäten mit wirklichem Mehrwert konzentrieren, ohne sich sorgen zu müssen, ob sie mit Debian synchron bleiben, da sie innerhalb des Projekts entwickelt werden.

1.3.3.2. Administrative Teams

Die meisten administrativen Teams sind relativ verschlossen und ergänzen sich nur durch Kooptation. Die beste Möglichkeit bei einem Team Mitglied zu werden, besteht darin, die aktuellen Mitglieder intelligent zu unterstützen und so zu zeigen, dass man ihre Ziele und Arbeitsmethoden verstanden hat.
Die FTP Master sind für das offizielle Archiv der Debian-Pakete zuständig. Sie betreuen das Programm, das die von Entwicklern eingeschickten Pakete entgegennimmt und nach einigen Überprüfungen automatisch auf dem Referenzserver speichert (ftp-master.debian.org).
Sie müssen auch die Lizenzen aller neuen Pakete überprüfen, bevor sie sie in die Sammlung bestehender Pakete aufnehmen, um sicherzustellen, dass Debian sie verbreiten darf. Wenn ein Entwickler ein Paket entfernen möchte, richtet er sich an dieses Team über das Fehlerberichtssystem und das „Pseudo-Paket" ftp.debian.org.
Das Debian System Administrators(DSA)-Team () ist, wie zu erwarten, für die Systemadministration der vielen vom Projekt verwendeten Server verantwortlich. Es stellt den reibungslosen Betrieb aller Basisdienste sicher (DNS, Web, E-Mail, Konsole usw.), installiert von Debian-Entwicklern gewünschte Software und trifft alle sicherheitsrelevanten Vorsichtsmaßnahmen.
Die Listmaster verwalten die E-Mail-Server mit den Mailinglisten. Sie erstellen neue Listen, bearbeiten Abweisungen (Mitteilungen über gescheiterte Zustellungen) und betreuen die Spam-Filter (unerwünschte Massen-E-Mails).
Jeder einzelne Dienst hat sein eigenes Team von Administratoren, in der Regel aus Freiwilligen bestehend, die ihn eingerichtet haben (und häufig auch die entsprechenden Hilfsprogramme selbst programmiert haben). Dies gilt für das Fehlerverfolgungssystem (BTS), das Paketverfolgungssystem (PTS), alioth.debian.org (FusionForge-Server, siehe Seitenleiste), die Dienste auf qa.debian.org, lintian.debian.org, buildd.debian.org, cdimage.debian.org usw.

1.3.3.3. Entwicklungsteams, Querschnittsteams

Im Gegensatz zu den Verwaltungsteams sind die Entwicklungsteams, selbst gegenüber externen Mitwirkenden, recht offen. Auch wenn Debian sich nicht dazu berufen fühlt, Software zu erstellen, so benötigt das Projekt doch einige spezielle Programme, um seine Ziele zu erreichen. Natürlich wenden diese unter einer freien Softwarelizenz entwickelten Hilfsprogramme Methoden an, die sich andernorts in der Welt der freien Software bewährt haben.
Debian hat wenig eigene Software entwickelt, aber bestimmte Programme spielen heute eine zentrale Rolle, und ihr Name hat sich über den Bereich des Projekts hinaus verbreitet. Gute Beispiele sind dpkg, das Debian-Paketverwaltungsprogramm (es ist eine Abkürzung für Debian PacKaGe, ausgesprochen dee-package), und apt, ein Hilfsprogramm zur automatischen Installation von Debian-Paketen, und seine Abhängigkeiten, die die Konsistenz des Systems nach einer Aktualisierung sicherstellen (sein Name ist eine Abkürzung für Advanced Package Tool). Ihre Teams sind jedoch viel kleiner, da sehr gute Programmierkenntnisse für das vollständige Verständnis der Funktionsweise solcher Programmen erforderlich sind.
Das wichtigste Team ist wohl jenes für das Debian-Installationsprogramm debian-installer, das seit seinem Beginn im Jahr 2001 ein Werk bedeutenden Ausmaßes fertiggestellt hat. Zahlreiche Mitwirkende waren erforderlich, da es schwierig ist, ein einzelnes Programm zu schreiben, das in der Lage ist, Debian auf einem Dutzend verschiedener Architekturen zu installieren. Jedes hat seine eigenen Startabläufe und seinen eigenen Boot-Loader. All diese Arbeit wird in der Mailingliste unter der Leitung von Joey Hess und Cyril Brulebois koordiniert.
Das (sehr kleine) Team des Programms debian-cd hat ein noch bescheideneres Ziel. Viele „kleine“ Mitwirkende sind für ihre Architektur verantwortlich, da der Hauptentwickler weder alle Feinheiten noch den genauen Weg zum Starten des Installationsprogramms von der CD-ROM kennen kann.
Viele Teams müssen mit anderen beim Paketieren zusammenarbeiten: versucht zum Beispiel, die Qualität auf allen Ebenen des Debian-Projekts sicherzustellen. Die Liste entwickelt Debian-Richtlinien aufgrund von Vorschlägen, die aus allen Richtungen eintreffen. Die Teams, die für jeweils eine Architektur zuständig sind (), kompilieren alle Pakete und passen sie dabei nach Bedarf an ihre jeweilige Architektur an.
Andere Teams betreuen die wichtigsten Pakete, um ihre Instandhaltung sicherzustellen, ohne eine allzu schwere Last auf die Schultern eines Einzelnen zu legen; dies ist bei der C-Bibliothek und der Fall, beim C-Compiler auf der Liste und bei Xorg auf (diese Gruppe, auch als die X Strike Force bekannt, wird von Cyril Brulebois koordiniert).